4. Reaktionen | Widerstand | Rettungsaktionen 4.1 Zeitungsberichte über die Novemberpogrome | 4.2 Flüchtlingspolitik in Europa | 4.3 Sich getrauen, NEIN zu sagen | 4.4 Widerstand | 4.5 Retter und Retterinnen
Die Aufgabe enthält Artikel aus deutschen und britischen Zeitungen. Die Auseinandersetzung mit den Texten soll die Fähigkeit, historische Quellen kritisch zu lesen, fördern. Die Übungen sollen nachvollziehbar machen, wie historische Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden können.
Im Informationstext erfahren Sie etwas über den Ausbruch der gewalttätigen antijüdischen Pogrome von 1938. Analysieren Sie im Anschluss die Pressetexte, die über das Ereignis berichten.
Der Novemberpogrom 1938
Die Gewaltakte gingen vor allem von NSDAP-Funktionären, Mitgliedern der SA (Sturmabteilung) und der Hitlerjugend aus.
Vom Rath war ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris. Herschel Grynszpan, ein 17-jähriger polnischer Jude, hatte den Diplomaten am 7. November 1938 erschossen. Einige Tage zuvor hatten deutsche Behörden Tausende in Deutschland lebende Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit aus dem Reich ausgewiesen. Grynszpan hatte die Nachricht erhalten, dass seine Eltern und Geschwister, die seit 1911 in Deutschland lebten, unter ihnen waren.
Vom Rath starb am 9. November 1938, zwei Tage nach dem Schussattentat. Sein Tod fiel zufällig mit dem Jahrestag des gescheiterten Hitlerputsches von 1923, der im Münchner Bürgerbräukeller seinen Anfang nahm, zusammen. Die zur Gedenkfeier in München versammelte NSDAP-Führung nutzte den Anlass als Vorwand, um eine Nacht antisemitischer Exzesse auszulösen.
Propagandaminister Joseph Goebbels, ein Hauptinitiator der Kristallnacht-Pogrome, behauptete gegenüber dem einberufenen "Korps der Alten Kämpfer" (NS-Anhänger, die den Putsch 1923 mitgetragen hatten), dass sich das "Weltjudentum" zum Attentat verschworen habe. Er verkündete ihnen, dass "der Führer beschlossen hat, dass (...) Demonstrationen nicht von der Partei vorbereitet oder organisiert werden sollten, sondern dass sie, sofern sie spontan ausbrechen, nicht behindert werden dürfen."
NS-Funktionäre und Anhänger des Nationalsozialismus zerstörten in der Pogromnacht rund 1 400 Synagogen und Gebetsräume in ganz Deutschland, Österreich und dem Sudetenland. Viele Synagogen brannten die ganze Nacht über vor den Augen der Öffentlichkeit und den örtlichen Feuerwehrleuten, die den Befehl erhalten hatten, nur dann einzugreifen, falls sich die Flammen auf nahe gelegene „arische“ Gebäude ausbreiteten.
Mitglieder der SA und der Hitlerjugend zerstörten und plünderten die Geschäfte von schätzungsweise 7 500 jüdischen Gewerbetreibenden im Deutschen Reich. In vielen Regionen wurden auch jüdische Friedhöfe zu einem besonderen Angriffsziel. In den Anweisungen der NS-Führung war zwar von der Ermordung jüdischer MitbürgerInnen nicht die Rede, dennoch forderten die Novemberpogrome zwischen dem 9. und 10. November mindestens 400 Todesopfer.
Während der sich ausbreitenden Pogrome nahmen Einheiten der SS und der Gestapo (Geheimpolizei) auf Anweisung von Reinhard Heydrich etwa 30 000 jüdische Männer fest. Von den örtlichen Gefängnissen aus wurden diese nach Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen und in andere Konzentrationslager deportiert.
In dieser Größenordnung nahm das NS-Regime erstmals während der Novemberpogrome Jüdinnen und Juden ausschließlich aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit fest. In den Lagern starben hunderte Menschen infolge der brutalen Behandlung. Die meisten wurden im Laufe der nächsten drei Monate unter der Bedingung, dass sie das Deutsche Reich verlassen, freigelassen. Tatsächlich wurde die Auswanderung von Jüdinnen und Juden in den kommenden Monaten infolge der Novemberpogrome vorangetrieben.