4.2 Flüchtlingspolitik in Europa

Diese Aufgabe enthält Informationen über ein internationales Treffen, das als Evian-Konferenz in die Geschichte einging. Die Übungen sollen ein Verständnis für die Bedeutung der Menschenrechte in aktuellen Zusammenhängen befördern - unter anderem die Art und Weise wie heute Menschen, die als „Fremde“ in ein Land kommen, in der Regel wahrgenommen werden.

Was ist zu tun?

Lesen Sie den Informationstext und machen Sie die folgenden Aufgaben.

Ruf nach einer internationalen Konferenz

In Deutschland lebten rund 65 Millionen Menschen, als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen. Weniger als 1% waren Juden. Bald nach ihrer Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten Gesetze und Vorschriften zu erlassen, die der jüdischen Minderheit das Leben immer schwerer machten.  Viele Jüdinnen und Juden sahen keine andere Möglichkeit, als das Land zu verlassen.

Die Situation der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und Österreich (Der "Anschluss" Österreichs an Deutschland erfolgte im Jahr 1938) war für den Rest der Welt kein Geheimnis. Es gab in Europa wie in den USA eine ausführliche Zeitungsberichterstattung dazu. 

Beispielsweise wurde im Leitartikel der New York Times vom 4. Juli 1938 die "ungelöste Tragödie" deutscher und österreichischer Juden, die "keine andere Wahl haben als das Exil", zum Thema gemacht. Die Zeitung forderte die us-amerikanische Regierung auf, jüdischen Flüchtlingen zu helfen und Deutschland nicht ungehindert die Politik der "Vernichtung" weiter verfolgen zu lassen.

Viele waren besorgt über die Situation, doch es war letztendlich US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der den Schritt unternahm , eine internationale Konferenz zur Situation der Jüdinnen und Juden in Europa einzuberufen. 

Die Evian-Konferenz

Die Evian-Konferenz fand im Juli 1938 in Évian-les-Bains, Frankreich, statt. Insgesamt waren Vertreter aus 32 Ländern anwesend. Im Zentrum der Konferenz stand die Diskussion darüber, was für deutsche und österreichische Jüdinnen und Juden getan werden könnte und welche Möglichkeiten zur Aufnahme von Flüchtlingen in den verschiedenen Länder bestehen würden.

Viele der teilnehmenden Staaten hatten bereits Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen festgesetzt. Angesichts der dramatischen Situation der jüdischen Bevölkerung, bestand jedoch die Hoffnung, dass  sie diese Quoten deutlich anheben würden. Die Konferenz endete jedoch mit einer völlig anderen Erklärung. Von den Teilnehmerstaaten bot nur die kleine Dominikanische Republik in der Karibik an, für einen kurzen Zeitraum etwa 10 000 Jüdinnen und Juden aufzunehmen. Die übrigen Länder gaben an, dass es ihre wirtschaftliche Lage es nicht zulasse, weitere Personen ins Land zu lassen. Sie argumentierten, dass die Erhöhung der Flüchtlingszahlen nicht nur zu hoher Arbeitslosigkeit, sondern auch zu mehr Antisemitismus in allen Staaten führen würde.

Nach der gescheiterten Konferenz wurde klar, dass die jüdische Bevölkerung Deutschlands und Österreichs nirgendwo hin fliehen konnten - eine Katastrophe vor dem Hintergrund, dass die Verfolgung durch die Nationalsozialisten immer härter wurde.   square.jpg

Delegierte der Evian-Konferenz, 1938.

Statements von Staats- und Regierungschefs

Nachfolgend finden Sie Aussagen von einigen an der Konferenz beteiligten Staats- und Regierungschefs.

Vertreter Frankreichs und Großbritanniens argumentierten, dass sie bereits viele Flüchtlinge aufgenommen und daher keinen Platz mehr  hätten.

Vertreter aus Belgien und den Niederlanden gaben an, dass ihre Länder so dicht besiedelt seien, dass für jüdische Flüchtlinge kein Platz mehr vorhanden sei.

Führende Persönlichkeiten Australiens vertraten den Standpunkt, dass es in ihrem Land bislang keine „Rassenprobleme“ gegeben hätte und sie nicht daran interessiert seien, diese durch die Beförderung der jüdischen Einwanderung herbeizuführen.

Schweden erklärte durch seinen Delegationsleiter Gösta Engzell, dass die Möglichkeiten des Landes, den jüdischen Flüchtlingen in Europa zu helfen, sehr gering seien.

 

Beantworten Sie die folgenden Fragen

1. Wie beurteilen Sie die Argumente einiger Staats- und Regierungschefs, mit denen sie die Abweisung der jüdischen Flüchtlinge  begründeten (es hätte sich verteilt auf die Länder ungefähr um 19 000 Menschen gehandelt) ?

2. Auch heute fliehen Menschen z.B. vor Krieg und Verfolgung. Haben Sie in aktuellen Debatten Argumente von PolitikerInnen oder anderen Personen gehört, die jenen aus den 1930 Jahren ähnlich zu sein scheinen? Nennen Sie gegebenenfalls Beispielele dafür. 

3. Was hätten die Staats- und Regierungschefs im Jahr 1938 tun können und was könnten sie heute tun, um Menschen zu helfen, die vor Krieg, Verfolgung und Chaos fliehen?